Berlinale 2013 – Catherine Deneuve fährt nur schnell mal Zigaretten holen
Der Filme sind genug gelaufen, jetzt müssen Bären folgen. Bevor am Samstag die Internationale Jury um ihren Präsidenten Wong Kar Wai das letzte Wort hat, präsentierten sich am neunten Tag der 63. Internationalen Filmfestspiele in Berlin noch einmal drei Filme im Wettbewerb. Es geht um Liebe.
Ein bisschen Liebe
Schön und gelangweilt ist Studentin Haewon in Hong Sangsoos Wettbewerbsbeitrag „Nugu-ui Ttal-do Anin Haewon“ (Nobody’s Daughter Haewon). Dass Leben sterben ist und man dem Tod jeden Tag ein bisschen näher kommt, glaubt man ihr sofor,t und mit Haewons Unterstützung geht es wahrscheinlich noch etwas schneller. Sie fühlt sich allein gelassen von der Mutter, die nach Kanada ziehen wird, dem Geliebten, der verheiratet und ihr Hochschullehrer ist und vom Rest der Welt.
Sangsoo versucht sich an den verschlungenen Pfaden der Liebe oder vielmehr deren Unmöglichkeiten. Als da wären: die Liebe zur Mutter, zu einem Filmstar, zu einer Stadt, einer Zigarette, einem Buch, einer Tasse Tee, zu einem Mann, zu noch einem Mann und einem anderen Mann, zu vielen Männern, zu sich selbst, zur Musik, zum Selbstmitleid, zu einer warmen Mahlzeit und so weiter.
Herausgekommen ist ein geschwätziger und oberflächlicher Film über das merkwürdige Paarungsverhalten erwachsener Bildungsbürger, allerdings ohne Paarung. Hat man vergessen, wenn der Abspann beginnt.
In der Steinzeit ist die Hölle los
Diese Höhlenmenschen, die letzten ihrer Art, gerade ihrer dunklen sicheren Heimstadt beraubt und mit dem ersten modernen Menschen konfrontiert, müssen sie sich auf eine gefährliche Reise begeben. „The Croods“ von Kirk DeMicco und Chris Sanders, aus dem Hause Dreamworks und außer Konkurrenz im Wettbewerb zu sehen, bestehen aus Vater Grug, Mutter Ugga, Tochter Eep, Sohn Thunk und der unverwüstlichen Gran.
Grug, der in allem Unbekannten eine potentiell tödliche Gefahr sieht, ist mit den Herausforderungen der knallig bunten neuen Welt überfordert. Die gefräßigen Fabelwesen, die hier ihr Unwesen treiben, erfordern mehr Hirn, und so muss er die Leitung der Reisegruppe an Guy übergeben. Der smarte Homo Sapiens trägt nicht nur ein Faultier als Gürtel, er hat auch Ideen und kann Feuer machen. Außerdem hat er es, sehr zum Missfallen des eifersüchtigen Familienoberhauptes, auf die abenteuerlustige Eep abgesehen. Auch wenn die Jungen die Entwicklung vorantreiben, braucht es (Moral!!!) am Ende den Zusammenhalt der ganzen Familie, damit alle überleben können.
Das 3D-Abenteuer, dem im Original Stars wie Nicolas Cage (Grug), Ryan Reynolds (Guy), Emma Stone (Eep) und Catherine Keener (Ugga) ihr Stimme geliehen haben, ist um keinen Gag verlegen und die musikalische Untermalung fährt großes Orchester auf.
Auf eine Zigarette mit Catherine Deneuve
Zum Abschluss des Wettbewerbs darf noch einmal eine reife Titelheldin eine Kostprobe ihres Könnens geben. Catherine Deneuve ist Bettie, Anfang 60, Besitzerin eines Restaurants und ehemalige Miss Bretagne des Jahres 1969. Eines Tages lässt sie Gäste, Angestellte und ihre Mutter einfach stehn, setzt sich in ihr Auto und fährt los. Zigaretten holen.
In einer Bar lässt sie sich von dem deutlich jüngeren bezaubernden Marco becircen. Die beiden verbringen eine Nacht miteinander. Eine weitere Nacht verbringt Bettie in einem geschlossenen Möbelhaus. Ihre Tochter, zu der sie keinen Kontakt hat, bittet sie, den 11-jährigen Charly, ihren Enkel, abzuholen und zu seinem Großvater väterlicherseits zu bringen. Die beiden verstehen sich nach anfänglichen Schwierigkeiten ausgezeichnet und landen schließlich in einem Hotel, zum Veteranen-Treffen der Schönheitsköniginnen des Jahres 1969. Hier ist die Reise aber noch lange nicht zu Ende. Am Ende wird Bettie eine neue Liebe finden und ihrer Tochter wieder ein Stückchen näher kommen. Nur das Restaurant ist futsch.
„Elle s’en va“ (On my Way) von Regisseurin und Drehbuchautorin Emmanuelle Bercot ist der letzte Film, der ins Rennen um einen der Berlinale-Bären geht. Die Rolle ihrer Titelheldin hat sie Frankreichs Superstar Deneuve auf den Leib geschrieben. Entstanden ist ein nostalgischer Roadtrip, der die eine oder andere falsche Abzweigung nimmt und mit einem herrlich altmodischen Soundtrack ausgestattet ist. Ein Film, der ein wohliges Gefühl zurücklässt. Sollte dabei am Ende kein Bär herausspringen – das Leben geht weiter.
Und was kommt jetzt?
Am Samstag hat die Jury das letzte Wort: Welchen Bären hätten’s denn gerne? Darstellerpreis für Andrzej Chyra, der Darsteller des homosexuellen Priesters aus Malgoska Szumowskas „In the Name of“, „Gloria“-Darstellerin Paulina Garcia (beide Filme dürfen auch gerne mit weiteren Bären ausgezeichnet werden). Favoriten für den Silbernen und den Goldenen Bären dürften “Pozitia Copilului” (Child’s Pose) von Calin Peter Netzer, „Epizoda u zivotu beraca zeljeza“ (An Episode in the Life of an Iron Picker) von Danis Tanovic und „Uroki Garmonii“ (Harmony Lessons) von Emir Baigazin sein.
Politisch verständlich, filmisch nicht, wäre eine Auszeichnung für „Pardé“ (Closed Curtain ) von Jafar Panahi. Dieser Bär muss als fast sicher gelten. Die Jury wird sich dem nur schwer entziehen können.
Bei aller Stärke des osteuropäischen Kinos in diesem Jahr sollte man die beiden amerikanischen Produktionen „Promised Land“ (Drehbuchpreis für Matt Damon und John Krasinski?) und „Prince Avalanche“ von David Gordon Green nicht ganz aus den Augen verlieren. Insbesondere bei Letzterem könnte es eventuell eine Überraschung geben.
Maximalste hinterste Außenseiterchancen (und damit um so lustiger) wäre ein Bär für „The Necessary Death of Charlie Countryman“.
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