Berlinale 2018 – Der Mann mit dem Silberzahn ist da

Eine Frau fährt sich frei, Robert Pattinson als Wild-West-Stalker mit Silberzahn und bärtige Männer auf dem Kriegspfad. Ein verheißungsvoll schlechter Wettbewerbs-Freitag verspricht: Es kann nur besser werden!

Damsel © Strophic Productions Limited

Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz?

Der Lack ist ab bei Chela (Ana Brun) und Chiquita (Margarita Irún). Tafelsilber, Kronleuchter, die guten Kristallgläser und sogar der alte Daimler vom Vater müssen in “Las herederas” (Die Erbinnen) von Marcelo Martinessi zu Geld gemacht werden.

Chiquita trinkt, raucht, feiert und organisiert den Ausverkauf des gemeinsamen Haushalts. Schuldenlast und das Leben lähmen Künstlerseele Chela, die gerne ihre Tage im Bett verbringt oder braune Kreise auf einer braunen Leinwand verwischt. Dazu reicht das nach Achselschweiß riechende aber patente Hausmädchen Pita Getränke und Medikamente. Die abgedunkelte Behausung muss verlassen werden, als Chiquita wegen Betrugs ins Gefängnis muss.

Verwaschene Bilder, bleierne Müdigkeit, Chelas Mimik auf Nulllinie, und um sie herum tobt das Leben im Gefängnishof. Stotternd aber zuverlässig startet der Motor der gut gepflegten deutschen Limousine mit der führerscheinlosen Fahranfängerin in diesem Wettbewerbsbeitrag der Berlinale 2018.

Die kleinen Fahrerjobs für die goldbehängten Schachteln aus der Nachbarschaft werden mehr. Mit zunehmender Fahrtgeschwindigkeit kehrt auch die Libido zurück. Die Autobahn steht Chela offen. Fährt sich da ein spätes Mädchen etwa frei?

Minnesang und Dynamit

Treffen sich ein Irrer im Fass, ein Trinker mit Pilzkopf, ein skalpierter Chinese, ein falscher Priester, ein Muli mit Sonnenhut und Robert Pattinson mit versilbertem Schneidezahn im Wilden Westen. Für seine zubeißende Art bei Frauen bekannt, wandelt Pattinson in “Damsel” von den Gebrüdern Zellner erneut auf Freiersfüßen.

Ein funkelnder Ring, ein selbst komponiertes Liebeslied und ein Mini–Pony sollen die innig geliebte Penelope (Mia Wasikowska) verzücken. Das mittelgescheitelte Greenhorn hat die Rechnung ohne die schießwütige Siedlerin gemacht. Der Stalker–Western taumelt 113 Minuten von Gag zu Gag. Frohsinn und Heiterkeit wollen im Berlinale–Palast aber nicht so richtig aufkommen. Ausgezeichneter Sound von The Octopus Project.

„Black 47“ Foto: Berlinale

Keine Hoffnung, nirgends

Im Hungerwinter 1847 kehrt Martin Feeney (James Frecheville) als Deserteur aus Afghanistan zurück in seine irische Heimat. Die Kartoffelfäule hat die Ernten vernichtet. Die britische Besatzungsmacht presst das letzte Korn von der hungernden Bevölkerung ab. Fieber, Kälte und ein Todesurteil raffen Feeneys Familie dahin. Der kampferfahrene Soldat nimmt blutig Rache.

Ausgerechnet sein ehemaliger Vorgesetzter Hannah (Hugo Weaving) soll den zu allem entschlossenen Einzelkämpfer aufhalten. Weaving gibt nach dem edel anämischen Elbenkönig Elrond den rauschebärtigen grausamen Verhörspezialisten und gewieften Ermittler von hartem Schrot und Korn. Seine Verbindung zum Flüchtigen ist ambivalent. Hannah ist ein edlerer Killer als die schmolllippigen Briten-Bengel in Paradeuniform.

Eisig blau und frostig sind die Bilder in Lance Dalys „Black 47“, der im Wettbewerb außer Konkurrenz gezeigt wird. Ausgemergelte Skelette vegetieren halbnackt im Schlamm. Komparsen ohne Unterhautfettgewebe stehen barfuß in Flatterhemdchen im Morgenreif. Traurig tönen dazu Fiddle und Irish Flute. Alles so schön elend hier.