Berlinale 2014 – All you need is love

Der Vater kein Held!? Die Schöne Léa Seydoux, das Biest Vincent Cassel und die Waldnymphe Yvonne Catterfeld in „La belle et la bête“ und was die Großtante noch wusste. Die letzten Wettbewerbsfilme der Berlinale 2014 sind gelaufen, jetzt müssen Bären folgen. Die Favoriten stehen fest. Außerdem und exklusiv: Der meistgehörte Musiktitel aus einem Berlinale-Film.

Was bisher geschah: Aus Kindern werden leute – Der Sieger der Herzen steht fest!

Nach alter Väter Sitte

Noch einmal sehen wir die Welt mit Kinderaugen. Sudabeh Mortezai nimmt uns mit in den Wiener Stadtbezirk Simmering. Hier liegt zwischen Industriegebiet und Wellblech die Flüchtlingssiedlung „Macondo“. Rund 3000 Asylsuchende aus 22 Ländern leben hier. Einer von ihnen ist der 11-jährige Ramasan aus Tschetschenien. Gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Schwestern bewohnt er ein kleines Appartement. Der Vater ist tot. Für Ramasan gefallen als Kriegsheld, den er wie einen Heiligen verehrt. Wie Jack, im gleichnamigen Wettbewerbsfilm von Edward Berger, übernimmt Ramasan die Rolle des Vaters und Beschützers. Mit machohafter Attitüde übersetzt er für die Mutter bei Behördengängen. Trotzig und hellwach hat er sich seine kleine Welt eingerichtet.

Bald kehrt wieder Ruhe ein am Potsdamer Platz. Foto: dpa

Bald kehrt wieder Ruhe ein am Potsdamer Platz. Foto: dpa

Als Isa, ein Bekannter seines Vaters, in Macondo auftaucht, beginnt die allmähliche Demontage des Kriegshelden. Zufällig belauscht Ramasan ein Gespräch seiner Mutter, die von seinem Vater entführt und zur Ehe gezwungen wurde. Isa, der versucht das Vertrauen Ramasans zu gewinnen, deutet an, dass er und sein Vater nicht die Helden sind, zu denen sie gemacht wurden. Ramasan mag den Eindringling nicht, der den Vater-Mythos zerstört, um die Mutter wirbt und sich in seine Erziehung einmischt. Überfordert von den Anforderungen und Erwartungen, die an ihn gestellt werden, beginnt Ramasan zu rebellieren.

Die in Ludwigsburg geborene Filmemacherin legt viele interessante Spuren aus, verzichtet aber weitestgehend darauf, diese tatsächlich auch zu verfolgen. Dadurch kratzt „Macondo“ gut gemeint ein bisschen an der Oberfläche, geht aber nicht dahin, wo es weh tut. Zu viele Fragen bleiben offen. Schade.

Ein Leben für eine Rose

Passend zum Valentinstag schenkt uns die Berlinale mit „La belle et la bête“ (Die Schöne und das Biest) von Christophe Gans (im Wettbewerb außer Konkurrenz) ein großes romantisches Märchen. Die Geschichte einer unmöglichen Liebe, die alle Hindernisse überwindet.

Es war einmal ein reicher Kaufmann (André Dussollier), der alle seine Besitztümer verlor. Fortan lebt er mit seinen drei Töchtern und seinen drei Söhnen auf einem bescheidenen Anwesen auf dem Land. Auf dem Rückweg von einer Reise, die ihm nicht den erhofften Wohlstand zurückgebracht hat, verirrt er sich ein einem Schneesturm und landet in einem über und über mit Rosen überwachsenen Schloß. Er findet die Tafel reich gedeckt und Geschenke für all seine Kinder. Als er für das jüngste seiner Kinder, die zauberhafte Belle (Léa Seydoux), eine Rose bricht, fordert der animalische Hausherr (Vincent Cassel) das Leben des Mannes. Er hat eine Nacht, sich von seiner Familie zu verabschieden.

Belle will das Opfer des Vaters nicht annehmen und macht sich auf den Weg zu diesem verwunschenen Ort. Fortan speist sie jeden Abend mit dem Wesen, einer Mischung aus Löwe, Werwolf und Mensch. Des Nachts träumt sie die Geschichte des Biestes. Einst ein schöner Prinz, tötet er aus Hochmut seine inniglichst geliebte Prinzessin (als verzauberte Waldnymphe: Yvonne Catterfeld), die in Gestalt eines goldenen Rehs durch die königlichen Wälder streift. Fortan ist er dazu verflucht, als Wesen zwischen Mensch und Tier seine Tage zu verbringen. Nur eine reine Liebe kann ihn erlösen.

Mit dieser Neuverfilmung kommt ein opulent überladener Kostümfilm im Mai 2014 in die Kinos, der vor schillernden Roben, märchenhaften Kulissen und bombastischem Sound trieft und glitzert. Kitsch as Kitsch can, mit extra viel klebrigem Zuckerguss. Herrlich.

Was die Großtante noch wusste

Jemand liebt jemanden, den er nicht lieben sollte in „Chiisai Ouchi“ (The Little House) von Yoji Yamada. Die Literaturverfilmung nach einem Roman von Kyoko Nakajima beschließt den Wettbewerb der 64. Internationalen Filmfestspiele von Berlin. Erzählt wird die Geschichte der kinderlosen Taki, die als junge Frau am Vorabend des zweiten Weltkriegs ihren Dienst als Haus- und Kindermädchen in einer kleinen Villa mit rotem Giebeldach bei Familie Hirai antritt. Der hölzerne Gatte der Hausherrin ist Abteilungsleiter in einer Spielzeugfabrik. Seine Frau Tokiko verliebt sich in den sanften Kunsthochschulabsolventen Shoji Itakura. Eine zarte Liebe, die von kleinen Gesten und Andeutungen lebt. Die verborgene Leidenschaft bleibt Taki nicht verborgen.

Mit sanftem Humor erzählt Yamada eine kleine Geschichte über eine Liebe, die nicht sein darf und die seine Protagonisten auch Jahrzehnte später noch beschäftigt. Ihr Großneffe vertieft sich in die Aufzeichnungen der gerade verstorbenen Tante und kann am Ende des Films einen Bogen in die Gegenwart schlagen. Ein schöner Kontrast zum knallbunten Auftakt des Festivals.

http://youtu.be/il9p59bJ0a8

Favoriten für Bären jeglicher Art:

Boyhood von Richard Linklater
’71 von Yann Demage
Kreuzweg von Dietrich Brüggemann

außerdem:
Kraftidioten – In Oder of Disappearance von Hans Petter Moland
Zwischen Welten von Feo Aladag The Grand Budapest Hotel von Wes Anderson

Meistgehörter Musiktitel aus einem Berlinale-Film: Sam Riley zelebriert sein Rache an den Brenner-Buben in ‚Das finstere Tal‘ von Andreas Prochaska zu ‚How Dare‘ von den Steaming Satellites.

Und was kommt jetzt? Bären!