Berlinale ist, wenn jemand winkt – die Internationalen Filmfestspiele von Berlin sind eröffnet

Ein märchenhaft bunter Eröffnungsfilm mit der größtmöglichen Anzahl von Superstars, Handzeichen im Kinosaal, falsches Schlange stehen und Cannes versus Berlin: Wo schmeckts besser? Herzlich willkommen auf der Berlinale 2014.

Was bisher geschah: Nichts.

Es gibt mindestens zwei Arten von Menschen. Die einen stehen immer in der falschen Schlange, die anderen müssen sich niemals irgendwo anstellen, weil sie besser informiert sind, fundierte Kenntnisse über die Bewegung von Menschenströmen haben und den Begriff „Stau“ nur aus dem Radio kennen. Sonntagskinder, deren Glas immer gut halbvoll ist: charmant, sonniges Gemüt, gut aussehend und immer schneller am Ziel. Der Rest wartet – vor der Kasse im Supermarkt, bei der Gepäckabgabe am Flughafen, beim Bäcker, vor dem Geldautomaten. Wo Frustration zu Mangelernährung, schlechter Körperhygiene und Ohrgeräuschen führt, zu hängenden Schultern, einem schleppendem Gang, Reizhusten. Schuppen.

Schlafende Menschen vor Ticketschalter.

Schlafende Menschen vor Ticketschalter.

Auf der Berlinale hat man immer die Möglichkeit, den ganzen Tag in der falschen Schlange zu stehen. Vor dem Ticketschalter (manche Menschen schlafen auch erschöpft davor ein), auf der Treppe zum Pressebüro, vor der Akkreditierungsausgabe, vor den Toiletten, vor dem Kino, vor dem nächsten Kino und dem übernächsten und so weiter. Selbst wenn man früh kommt, andere haben schon zeitiger Aufstellung genommen. Gut, wenn man Kollegen trifft, die den Bogen raus haben und Geheimwissen teilen. Selbstverständlich werden derartige Kenntnisse nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit weitergegeben und können damit unmöglich an dieser Stelle niedergeschrieben werden. Schade. Kennt man aber jemanden, der über dieses Wissen verfügt, ist der Randplatz im Kino gewiss. Weil diese gütigen Menschen einen zu sich winken und auf den freien Platz neben sich ziehen, wenn man Stunden später mit einem nervösen Hüsteln in den Saal kriecht.

Ein Märchen-Hotel in Rosarot

Dann geht endlich das Licht aus und die Spiele beginnen! US-Regisseur Wes Anderson („Moonrise Kingdom“, „Die Tiefseetaucher“) fügt mit „The Grand Budapest Hotel“ seiner Filmograhie ein weiteres märchenhaftes Werk hinzu. Ein großer Teil seines sagenhaften Staraufgebots ist zur Eröffnung der 64. Internationalen Filmfestspiele Berlin in den Berlinale Palast gekommen. Festival-Direktorenherz was willst du mehr. Höchstens, dass dem Herrn Waltz das Essen auf der Berlinale nach erfolgreicher Jury-Tätigkeit so gut schmeckt wie das in Cannes. Wir drücken alle die Daumen.

Auf der Leinwand sehen wir einen Traum in Pink und Schneeweiß und Zuckerguss und Willem Dafoe mit Werwolffangzähnen im Unterkiefer und Totenkopf-Schlagringen an den Fingern. Erzählt wird die Geschichte des legendären Concierge Monsieur Gustave und seines nicht minder einzigartigen Schülers, Lobby-Boy Zéro. Monsieur Gustave, formvollendet dargestellt von Ralph Fiennes, ist Herz und Zentrum des Grand Budapest Hotel, einer Luxusherberge in einem fiktiven Land irgendwo im Osten am Vorabend eines Weltkrieges.

'The Grand Hotel Budapest' - eine kleine Auswahl der beteiligten Stars.

‚The Grand Hotel Budapest‘ – eine kleine Auswahl der beteiligten Stars.

Der umsichtige Meister seines Fachs kennt die Wünsche seiner exzentrischen Kundschaft noch bevor diese selbst Kenntnis davon hat. Den zahlreichen alten bis sehr greisen blonden Damen erfüllt der vorauseilend und nachhaltig nach Eau de Toilette duftende perfekte Gastgeber gerne auch Sonderwünsche. Dieser Einsatz am Limit bleibt nicht unbelohnt. Monsieur Gustave erbt von Madam D. (bis zur Unkenntlichkeit gealtert: Tilda Swinton, mit einem Kürzest-Auftritt) das millionenschwere Renaissance-Gemälde „Boy with Apple“. Sohn Dimitri (Adrian Brody) und der Rest der buckligen Verwandtschaft finden das gar nicht gut. Monsieur Gustave wird Opfer einer Intrige. Gefängnis und Flucht durch Eis und Schnee folgen. Immer an seiner Seite, der treue Lobby-Boy Zéro und die Gemeinschaft der gekreuzten Schlüssel.

Ein Film voller Spielereien, effekt- und detailverliebt. Alles ist wichtig und vieles führt zu nichts, ist aber trotzdem wunderbar anzusehen und anzuhören. Eine üppig verzierte Sahnetorte, die sich betörend über Hirn und Augen legt. Ob sie da auch hängen bleibt, werden die kommenden Tage zeigen. Bezauberndes Phantasie-Kino eröffnet den Wettbewerb, der auch deftigere Kost bereit hält.

Und so geht’s weiter:  Kinder, Knast und Weltuntergang.