Berlinale 2012 – Pocahontas mit Giraffe
62. Internationale Filmfestspiele Berlin, Tag sieben. Allmählich muss der exzessive Festivalbesucher aktiv Thromboseprophylaxe betreiben und bei langen Langfilmen (über 120 Minuten) einen Schwimmring als Sitzhilfe gegen Gesäß-Dekubitus unterlegen. Im Wettbewerb: Filme über Tiere, Urin und Gina Carano prügelt in Steven Soderberghs „Haywire“ Michael Fassbender windelweich.
Mit Elefant, Tiger, Giraffe & Co im Tierpark von Jakarta versetzte „Kebun binatang“- (Postcards From The Zoo) Regisseur Edwin am frühen Morgen Tierfreunde in Wallung.
Lana wächst im Zoo auf. Da gibt es sehr viele Tiere. Die schauen wir uns erst einmal in aller Ruhe an. Manchmal schwimmt ein Pelikan vorbei. Wir studieren in langen meditativen Bildern die Zunge einer Giraffe. So eine lange Zunge ist sehr praktisch. Damit kann sich die Giraffe selbst die Ohren reinigen. Lana weiß sehr viel über Tiere, vor allem über Giraffen.
Dann taucht ein Cowboy auf. Der kann tolle Zaubertricks. Lana folgt ihm in ein Abbruchhaus und brät ihm einen Fisch. Dann ist der Cowboy wieder weg. Lana geht anschaffen und erzählt ihren Kunden Tiergeschichten. Die finden das gut. Dann steht Lana im Zoo unter der Giraffe und der Film ist aus.
Wer den Film nicht zu früh aufgab, wurde (zu meiner großen Freude und Bestätigung) mit einer Badewannenpullerszene belohnt. Tierfilme haben traditionell bei der Berlinale gute Chancen. Vielleicht wäre hier ein Sonderbär für den Tiercast möglich.
Ein Tor zum Kornfeld
Das chinesische Kaiserreich sieht seinem Ende entgegen. In diesen Zeiten des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs spielt Chen Zhongshis literarisches Epos „Bai lu yuan“ (White Deer Plain), das wegen expliziter Sexszenen lange auf dem Index stand. Schauplatz ist White Deer Village in der Provinz Shaanxi. Bisher haben hier zwei Großfamilien friedlich zusammengelebt. Die großen politischen Umwälzungen im Kaiserreich gehen jedoch auch an dieser Dorfgemeinschaft nicht spurlos vorüber. Eine junge Frau gerät zwischen die Fronten der alten und jungen Männer. Am Beispiel des Zerfalls der beiden Familien wird das Schicksal des chinesischen Volkes exemplarisch vorgeführt. Im Falle von Wang Quan’ans gleichnamiger Verfilmung dauert das Ganze lange 176 Minuten.
Alles an diesem Film signalisiert Monumentalität und Größe. Nachdem in vielen Wettbewerbsbeiträgen ausdauernd geschwiegen wurde, kommt dieses Epos geradezu geschwätzig daher. Alte Männer und ihre Doppelmoral, junge Männer ohne Moral und eine Frau, die sich irgendwie arrangiert. Der Blick auf die Menschen bleibt distanziert, und so bleiben wir es auch. Ein Werk, durch das man sich hindurchkämpft, das ansonsten abperlt und nicht bewegt. Gleichgültigkeit ist für drei Stunden Kino zu wenig. Dennoch ahnen wir einen möglichen Bären. An Irgendjemanden müssen die Tiere ja vergeben werden.
Übrigens: Auch Wang Quan’ans „Bai lu yuan“ (White Deer Plain) kommt nicht ohne Urin aus. Toll.
Immer mitten in die Fresse rein
Zur Entspannung dann der US- Action-Thriller „Haywire“ von Steven Soderbergh (Ocean’s Eleven, Ocean’s Twelve, Ocean’s Thirteen), der im Wettbewerb als Sondervorführung gezeigt wird. In der Hauptrolle: die ehemalige Mixed-Martial-Arts-Kämpferin Gina Carano. Mallory Kane (Gina Carano) ist eine Superagentin und die gefährlichste Waffe Amerikas bei verdeckten Operationen. Bei einem Einsatz in Dublin wird sie von ihrem eigenen Team betrogen und entgeht nur knapp einem Angriff aus den eigenen Reihen. Das kann nicht ungesühnt bleiben.
Geschichte und Aufbau des Films sind hanebüchen, aber das Ganze sieht hervorragend aus, der Soundtrack ist ausgezeichnet, die Darstellerriege ist mit Channing Tatum, Michael Fassbender, Ewan McGregor, Antonio Banderas und Michael Douglas hochklassig besetzt, und auf der Leinwand ist ordentlich was los. Agentin Kane prügelt die Jungs windelweich und macht keine Gefangenen. Wer es sich mit ihr verdirbt, lebt nicht mehr lange. So verlässt uns Michael Fassbender bereits nach knapp der Hälfte des Films. Einziges Manko: kein Urin. Die Zahnreihe von Michael Fassbender auf der anschließenden Pressekonferenz entschuldigt aber alles.
Und morgen gehen wir noch einmal gemeinsam in drei Filme des Berlinale-Wettbewerbs. Mads Mikkelsen kommt. Wohl.
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