Berlinale 2011 – Und ewig lockt das Weib

Männer können ja alles, Zähne putzen zum Beispiel oder einfach nur aus dem Fenster gucken. Dabei sieht man ihnen sehr gerne zu, wie man ihnen bei eigentlich allem sehr gerne zusieht. Außerdem am siebten Festival-Tag dabei: ein Film über wahre Männerfreundschaft, eine Nazi-Komödie und zerwühlte Bettlaken.

Es gibt ja Schauspieler die ihre Rollen sehr physisch interpretieren und bereit sind, dafür einiges in Kauf zu nehmen. 20 Kilo zunehmen, 50 Kilo abnehmen, Bartwuchs, entstellende Frisuren, das Antrainieren von Muskelbergen und Sixpack, beispielsweise. Anderen wiederum wird am Morgen eines jeden Drehtages, anstelle der Maske, intravenös ein starkes Beruhigungsmittel verabreicht. Außerdem werden sämtliche Gesichtsnerven für die Dauer des Drehs mit Botox lahm gelegt. Derartig abgedichtet spielen sie dann einen feurigen Liebhaber – innerlich rasend vor Leidenschaft, äußerlich damit beschäftigt, die Kiefermuskulatur unter Kontrolle zu halten, damit ihnen kein Speichelfaden aus dem Mund läuft.

Der so entstandene Film wird dann unseren degenerierten Sehgewohnheiten etwas entgegensetzen. Gedreht werden lange Einstellungen mit der Handkamera. Keine schnellen Schnitte. Manchmal ist auch nur ein Tisch zu sehen oder ein Stuhl, oder wir sehen Autos auf einer Autobahn beim Fahren zu. Keine Musik. Das ist dann Stillleben von expressionistischer Ausdruckskraft.

Kurz vor Ende des Festivals können wir mal verrückt sein, und die Reihenfolge der gezeigten Filme umkehren. Heute haben wir im Wettbewerb einen Film über zerknüllte Bettlaken gesehen. „Un Mundo Misterioso“ (A Myterious World / Rätselhafte Welt) von Rodrigo Moreno spricht damit ein Thema an, das uns alle angeht. Ein Mann, Boris, schlafend (auf eben jenem Laken). Mal mit, mal ohne Unterhose. Männer, die sich die Zähne putzen. Boris im Auto, eine Frau steigt ein und wieder aus. Boris ist so langweilig, er würde sich selbst verlassen, wenn er könnte. „Un Mundo Misterioso“ ist ein sehr ruhiger Film. Boris wäre zu schwach, einen Darsteller-Bären in den Händen zu halten. Die Internationale Jury möge gnädig sein und davon absehen.

Zur Mittagszeit gab es im Wettbewerb außer Konkurrenz eine Nazi-Komödie. „Mein bester Feind“ von Wolfgang Murnberger mit Moritz Bleibtreu, Uwe Bohm und Udo Samel. Regisseur Wolfgang Murnberger hat in den vergangenen Jahren nach einer Vorlage von Wolf Haas bisher drei „Simon-Brenner“-Geschichten mit Josef Hader in der Hauptrolle verfilmt („Komm süßer Tod“, „Silentium“, „Der Knochenmann“). Die Brenner-Trilogie ist großartig, unbedingt ansehen!

Mit „Bizim Büyük Çaresizligimiz“ (Our Grand Despair) begann der Tag freundlich. Der türkische Regisseur Seyi Teoman erzählt uns die Geschichte einer wunderbaren Männerfreundschaft. Ender (Ilker Aksum) und Çetin (Fatih Al) sind seit ihrer gemeinsamen Schulzeit eng befreundet. Ihr Traum von einer gemeinsamen Wohnung hat sich gerade erfüllt, da erreicht sie die Bitte, die nach einem Unfall traumatisierte Schwester ihres besten Freundes bei sich aufzunehmen. Ein wenig widerwillig stimmen die beiden zu.

Zunächst stört die neue Mitbewohnerin ein wenig das geruhsame Leben der beiden. Dann verlieben sich Ender und Çetin in Nihal (Günes Sayin). Wird diese Liebe eine jahrzehntelange Freundschaft zerstören? Sie tut es nicht, aber sie kann auch nicht erhört werden. Ob die beiden Männer ineinander verliebt sind? Vielleicht ein bisschen. Ender und Çetin werden immer Freunde sein und es ist beruhigend das zu wissen.