Neo und die Neider

Dieser Tage wurden (18.04. in Leipzig) und werden (20.04. in München), anlässlich seines 50. Geburtstags zwei Retrospektiven mit 120 Werken von Neo Rauch eröffnet. Rund um dieses Ereignis kann man einen zutiefst menschlichen Reflex in den Feuilletons unterschiedlicher Medienangebote feststellen.

Der nicht täglich einem lebenden Künstler zuteil werdende Ehre zweier zeitgleich stattfindender großer Werkschauen folgt die Frage: Ja, hat er denn das überhaupt verdient? Verursacht das Gezeigte angemessene Schmerzen und könnten wir es nicht selbst viel besser machen? Ob die Huldigung verdient sein kann, die Kunst durch eine ihr inne wohnende Wertigkeit überzeugt und die Zeiten zu überdauern vermag , lässt sich wie so oft , nur im Ungefähren beantworten. Zusammenfassend kann festgestellt werden: Die einen sagen so, die andern so. Da eine nachhaltige Antwort von den Nachgeborenen gefunden werden muss (wenn die Formel “ vielleicht gut, wenn tot ” greifen soll), werden die Meisten von uns eine Entscheidung darüber nicht mehr erleben. Tatsächlich bleibt uns aber immerhin die Gelegenheit eine oder beide Ausstellungen unter dem Titel „Begleiter“ selbst in Augenschein zu nehmen.

Wäre man Optimist , könnte man sagen: Gut so, der Mann lebt noch, für die mediale Aufbereitung nicht die zwingend schlechteste aller Vorrausetzungen. Was hat der Künstler davon, erst nach seinem Ableben das Licht der Welt zu erblicken. Möglichweise wird er seinem Armengrab entrissen und in eine kleine, glitzernde Marmorkapelle umgebetet, aber darüber haben, nicht selten zerstrittene, Erbengemeinschaften zu befinden. Womit selbstverständlich nichts gegen die Wertigkeit von Kunstwerken toter Künstler – die zu Lebzeiten möglichst arm, verkannt und irre sein sollten – gesagt werden soll.

Der Reflex ist verständlich und erinnert an eine kleine Begebenheit mit Kind II am vergangenen Wochenende, die sich in der sonnendurchfluteten und dadurch sichtbar staubigen Küche des Erstwohnsitzes zutrug. Kind II war denkbar übellaunig. Während der damit verbundenen Hasstirade trat nicht nur eine Ader des Halses hervor. In einer kleinen Atempause gelang es, nach der Ursache für all das Ungemach zu fragen. „Ich bin neidisch“ (in diesem speziellen Fall auf einen Badeanzug von Kind I. oder eine kurze Hose), war die ebenso schlichte und bei näherer Kenntnis der Ausgangslage logische Antwort. Wir standen dann noch lange gemeinsam da und sahen, bei geschlossenem Fenster den Birkenpollen beim Fliegen zu.

Dem Feuilleton, wo auch immer es sich kritisch, richtungsweisend und haltgebend produzieren mag , werden zu Lebzeiten seltenst Retrospektiven gewidmet. Darüber kann und sollte man angemessen traurig sein.

Eine gute Gelegenheit, den Rest des Tages darüber sinnierend zuzubringen, wie es dereinst gelingen könnte, meine Heimatstadt dazu bringen, mir in der ebenda ansässigen Volkshochschule eine Retrospektive zu widmen. Das hierzu die Produktion bildender Kunst entscheidend beitragen könnte, soll und darf an dieser Stelle kein Hindernis sein.
Neo Rauch
Begleiter

Museum der bildenden Künste, Leipzig
18.04 – 15.08.2010

Pinakothekt der Moderne, München
20.04. – 15.08.2010