An unseren Augenringen sollt ihr uns erkennen

Vergangene Nacht, ich hatte gerade eine erste unruhige Schlafphase hinter mir, …

… ich war gerade das elterliche Treppenhaus hinuntergestürzt und noch im freien Fall. Beim Aufprall hätte mich vermutlich ein stark behaartes Spinnenrudel erwartet. Direkt danach hätte ich im Schlafanzug, mit Hausschuhen an den Füßen, die Wohnung verlassen, um noch einmal einige Abi-Klausuren zu schreiben. Leider hätte ich vergessen, die entsprechenden Lektüretexte tatsächlich vorher auch zu lesen. Danach wäre ich dann in einem Auto neben einem gesichtslosen Fahrer über eine stark befahrene Autobahn gerast, auf einen Lastwagen aufgefahren und von den Rettungskräften aus dem Auto geschnitten worden, was eine Amputation beider Beine erforderlich gemacht hätte. Leider kam es aber nicht mehr dazu …

… weckte mich der unruhige Gang eines Menschen in der Wohnung über mir. Kurz über die Vorteile schallisolierter Räume mit gepolsterten Wänden nachgedacht, außerdem das Ausgießen und Auffüllen der Gehörgänge mit flüssigem Kerzenwachs erwogen. Dann aber, die Schlafbrille lose im wirren Haar drapiert und in der verhaltenen Aggression der aufstampfenden Fersen eine verwandte gequälte Seele erkannt. Ein Mensch, dem der Schlaf, wenn überhaupt, nur kurze Zeitfenster der Erholung zu schenken vermag. Jedes Hinüberdämmern gefährdet wie eine Kröte auf der Wanderung zu den heimischen Laichplätzen, beim Überqueren einer Autobahn. Wäre es nicht mit Aufstehen verbunden gewesen, ich wäre eine Etage mit dem Fahrstuhl nach oben gefahren, um den Bruder oder die Schwester im Geiste kurz und innig in die Arme zu schließen.

Ihr alle, die ihr im Gehen und Stehen, in Zügen und Autos, auf Sofas und in Betten umgehend und für Stunden schlafen könnt, ihr werdet nicht nur nicht depressiv, erfreut euch eines regelmäßigen Stuhlgangs und eines ausgeglichenen Blutdrucks, ihr habt auch keine Ahnung! Ihr wisst nichts von ungünstig einfallendem Mondlicht, zu früh einsetzendem und oder nicht enden wollendem Vogelgezwitscher, dem Psychoterror durch regelmäßig schlagende Kirchenglocken, brummenden Kühlschränken, lachenden Menschen, Nachbarn, die morgens um 2:35 Uhr das schmutzige Geschirr einer ganze Woche abwaschen müssen. Wir schlafsensiblen Menschen sind wie die Prinzessin auf der Erbse, nur ohne Erbse.

Husten Bettwanzen? Fragt uns. Das liebliche Zirpen der Zikaden im Sommer – wie ein Presslufthammer frisst es sich Stunde um Stunde durch unser Gemüt. Schlafen kann ich, wenn ich tot bin – was, liebe Somnambulisten, wenn nicht? Riefe am Morgen nach so einer durchwachten Nacht ein Kind auf der Straße: „Die hat ja gar nichts an!“, es wäre vermutlich nicht nur wahr, es würde mich auch nicht wundern.

http://www.youtube.com/watch?v=qbQMHQHlg-A