Berlinale 2017 – „Django“ will doch nur spielen
Das Festival beginnt wie immer am Vormittag – vor der Glamour-Eröffnung am Abend – mit der Pressekonferenz der Internationalen Jury.
Verweilen ist nicht möglich, die erste Wettbewerbs-Kinoschlange der Berlinale 2017 wartet. Wer den Eröffnungsfilm nicht 30 Minuten später in einem kleineren Saal sehen möchte, stellt sich eine Stunde vor Filmstart an.
Dreißig Minuten vor Beginn der Pressevorführung von Etienne Comars „Django“ ist der Saal voll. Der Kampf um mit Jacken, Schals oder Taschen reservierte Plätze beginnt. Der Zorn der Kollegen hält sich aber noch in Grenzen – das wird sich in den kommenden Tagen ändern. Aber noch sind alle gesund und munter. Fast keine Stürze auf den Treppen im Kinosaal.
Etienne Comar konzentriert sich in seinem Debütfilm über den begnadeten Gitarristen und Komponisten Django Reinhardt (Reda Kateb) im Wesentlichen auf einige wenige Monate in den Kriegsjahren 1943.
Frankreich ist von den Deutschen besetzt. Sinti und Roma werden verfolgt und in Konzentrationslager deportiert. Der Musiker wiegt sich aufgrund seiner Popularität bei den Besatzern in Sicherheit. Politik interessiert ihn nicht. Reinhardt will trinken, rauchen, angeln und Musik machen. Eine geplante Tournee durch Nazi-Deutschland scheitert, weil Reinhardt sich weigert, den absurden Eingriffen und Forderungen der Nationalsozialisten in sein musikalisches Schaffen nachzugeben. Der Krieg geht an keinem spurlos vorüber – Kunst bleibt nicht unpolitisch. Spielen oder nicht spielen, die Entscheidung ist ein Bekenntnis für die eine oder die andere Seite. Der hofierte Künstler wird zur unerwünschten Person. Eine Freundin will Django, seine schwangere Frau und seine Mutter in die Schweiz bringen lassen. Der Grenzübertritt scheitert. Im Film wird die Familie getrennt und Monate später wieder vereint.
Die dramaturgische Spannung und ausdrucksstarke Kameraarbeit gelingt vor allem bei den Konzertszenen. Reda Kateb lebt in diesen Sequenzen die Musik, sein Spiel mit dem Instrument wirkt virtuos. Im Gesicht arbeiten Konzentration, Anstrengung und Spielfreude. Ob alleine, begleitet von seinem Ensemble oder im Zusammenspiel mit Sinti-Musikern auf der Flucht – in jeder Szene mit Instrumenten entwickelt der Film seinen Sog. Der Rest der Geschichte plätschert träge vor sich hin. Charaktere werden schablonenhaft angerissen. Einfühlsame Künstler, die politisch werden müssen, straff gescheitelte Nazis mit kantigen Unterkiefern und Stock im Arsch. Angst, Verzweiflung, Vernichtung und Lebensfreude werden ausschließlich musikalisch transportiert. Bilder und Dialoge können da oft nicht mithalten.
Der Film, der im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele in Berlin gezeigt wird, endet kurz nach Kriegsende mit einem Fragment aus einer Messe Reinhardts, zur Erinnerung an die im zweiten Weltkrieg ermordeten Sinti und Roma. Die Partitur ging verloren – bis heute ist unklar, ob sie wieder aufgetaucht ist. Ein Moment, um die Augen zu schließen und den Schmerz auf sich wirken zu lassen.
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