Das Wort ward Fleisch
Wer die Tradition des Weihnachtshammels eingeführt hatte, ließ sich nach Jahrzehnten der ritualisierten Demütigung nicht mehr nachvollziehen. Tatsächlich erfüllte uns Heiligabend alle Jahre wieder mit Angst und Schrecken.
Das Familienmitglied, das an Heiligabend als letztes am Frühstückstisch erschien, würde die Bescherung in einem maßgeschneiderten Fleischkleid verbringen. Dazu würden schadenfrohe Frühaufsteher Teile des abendlichen Fondues umwidmen und mit Zahnstochern zusammenspießen.
Um die Chancengleichheit zu erhöhen, waren technischen Weckmittel verboten. Zur Nachtruhe wurden Schlafbrillen gegen die einfallende Dämmerung und Ohrstöpsel gegen das nächtliche Kirchengeläut verteilt. Außerdem war es nicht gestattet, die Nacht am bereits vorgedeckten Tisch durchzumachen. Wer vor 4.30 Uhr im Esszimmer erwischt wurde (Videoüberwachung), wurde umgehend mit einem Schafstempel auf der Stirn markiert. Das passierte in der Regel aber nur neuen Freunden oder Freundinnen der Verwandtschaft, die erstmalig an den Feierlichkeiten teilnahmen. Selbstverständlich wurden sie vorab über die Hammeltradition als solche, aber nicht über die Details in Ausführung und Umsetzung informiert. Viele Lebensgefährten wurden nach Weihnachten nie wieder gesehen oder die Scheidung des noch jungen Glücks wurde im neuen Jahr rasch vollzogen.
Eine Ausnahme galt nur für den Darsteller des Weihnachtsmanns, der Wochen vorher per Los ermittelt wurde und den ihn begleitenden Rauschgoldengel, der Dank einer Optimierung des Kostüms im Jahr 2003, die Anmutung einer Stripperin auf Abruf hatte. Im Übrigen spielte das Geschlecht der Darsteller bei der Auslosung keine Rolle. So schlüpfte beispielsweise 2007 die hochschwangere Schwippschwägerin zweiten Grades in die Rolle des Weihnachtsmanns und Onkel Klaus stand ihr als gefallener Engel mit langem güldenem Haar zur Seite. Die Aufgabe der beiden Boten des Herrn ist bis heute unklar. Um pünktliches Erscheinen wird dennoch gebeten.
Um dem möglichen dreifachen Gesichtsverlust sicher zu entgehen, gab es nur wenige Möglichkeiten. Tatsächlich ist nur die Geschichte eines 21-jährigen Heißsporns verbürgt, dessen Liebe zu einer entfernten Cousine nicht groß genug für die Fleischprüfung war. Im letzten Moment vor der eigentlichen Bescherung, steckte er den Weihnachtsbaum und alle um ihn aufgebauten Geschenke in Brand. Über seinen Verbleib ist nichts bekannt.
… für Torsten.
Anmerkung: Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sind rein zufällig. Teile der befreundeten Verwandtschaft werden weder an Weihnachten noch an anderen hohen Feiertagen mit Fleisch überzogen.
Und weiter geht’s: Alle Jahre wieder werden wir am Ende eines Jahres von Weihnachten überrascht. Um die Vorfreude auf Kind, Krippe und Geschenke ins schier Unermessliche zu steigern, werden hier Träume wahr. Ihr spendiert fünf Begriffe in einem Kommentar unterhalb dieses Beitrags, und ich bastel daraus einen rauschgoldengelhaften Blog-Text für die Vorweihnachtszeit. Die streng subjektive Auswahl der jeweiligen Begriffs-Serie wird von mir persönlich vorgenommen. Der Rechtsweg ist absolut ausgeschlossen.
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