Tage wie dieser
Eisige Tage, schlaflose Nächte – die Laune erreicht früh einen ersten frostigen Höhepunkt. Mit dem Geräusch des Weckers würde man gerne kleinen Tieren, noch vor dem ersten Kaffee, das Fell über die Ohren oder wenigstens die Krallen ziehen. Leider ist immer dann kein Tier zur Hand, wenn eins gebraucht wird. Mail an mich: Notbevorratung mit Tieren anlegen. Kopfkissen mehrfach mit der flachen Hand geschlagen.
Auf dem Weg in den Südflügel einen Zeh am Metallregal gestoßen. Nagel baumelt nutzlos hin und her. Blutspur endet im Bad. In einem Akt sinnloser Provokation fällt die Toilettenspülung von der Wand. Den Fliesenspiegel angebrüllt und den Nagel zurück in sein Bett geschoben. So kriegt ihr mich nicht klein, so nicht. Das Wasser der Dusche ist entweder eiskalt oder kochend heiß. Kopfhaut wirft nach dem Haare waschen leichte Blasen. Kopfkissen aus dem Bett gezerrt, auf den Boden geworfen und mehrfach mit dem gesunden Fuß zugetreten. Dann das Fenster geöffnet und in den dunklen Innenhof „Was glotzt ihr denn so?“ gerufen.
Auf dem Weg in die Redaktion kein Blitzeisopfer geworden. Bin möglicherweise doch ein Sonntagskind. Ausschüttung von Glückshormonen dauert 1,2 Sekunden. Ein Paket vakuumverpackten Kaffees dämpft aufkommende Euphorie jäh. Trinken wir heute eben alle Nieren-Blasentee. Kollegen lachen laut und öffnen Verpackung einhändig mit zwei Fingern. Dekoratives Reißzwecken-Mandala in den Unterarm gebohrt.
Am Mittag sieht ein Murmeltier Schatten. Der Winter bleibt. Ich sehe rosa Elefanten. Das Leben ist schön. Kollegen legen routiniert einen venösen Zugang.
Kind II weiß, es ist früher Nachmittag, alles besser. Dem Mobiltelefon bekommt das nicht. Ziehe mich für 30 Minuten zum Atmen in eine Supermarkttüte zurück. Bis zum Feierabend alte Ausdrucke mit Textmarker koloriert und in kleine Stücke gerissen. Die Fetzen in Mund, Nase und Ohren gestopft. Dazu Tanz und Gesang.
Am Abend hustet der Nachbar sehr laut. Das wird ihm noch leid tun.