S’ist Schlafenszeit

„Die Schnecke sitzt vor ihrem Haus, ruht und ruht und ruht sich aus … “

Der Mensch besteht nicht nur aus seinem brillianten Geist und seiner schönen Seele, sondern auch aus einem mehr oder weniger funktionstüchtigen Körper, was mit zunehmendem Alter auch nicht einfacher wird. Auch in meiner Brust schlägt nur das Herz einer kleinen Haselmaus. Während ihr Hamsterartigen diese Zeit ewiger Finsternis und Kälte auch ohne Winterschlaf überleben könnt, müssten wir Haselmäuse ohne dauerhafte innere Ruhe und Einkehr sterben. Da hat kurzfristig auch niemand etwas davon, wobei: Die einen sagen so, die andern so, aber das ist eine andere Geschichte.

Dem aufmerksamen Beobachter ist es sicher nicht entgangen, dass die Wetterlage ein geregeltes Arbeiten nicht mehr zulässt. Immer mehr Menschen sacken scheinbar grundlos an ihren Arbeitsplätzen zusammen und stehen auch nicht mehr auf. Dieser Zustand ist weder dauerhafter Unterforderung noch durchwachten Nächten am Lager eines an Schweinegrippe erkrankten Mitmenschen geschuldet, sondern einzig und allein jahreszeitbedingt, und es wird nicht besser werden. Unsere Haselmaus-Körper befinden sich irgendwo zwischen Warm- und Kaltblüter, und wer möchte da wider die eigene Natur handeln. Die Fettdepots wurden sorgfältig zwischen Weihnachten und Silvester aufgefüllt. „Schlank im Schlaf“ ist das Gebot der Stunde, und wer bis zum Sommer in die Badekleidung vom Vorjahr passen möchte, sollte jetzt mit dem Bau einer Schlafhöhle beginnen.

Der Winterschläfer wird in den kommenden Wochen vermehrt warme, dunkle Orte aufsuchen und sich beispielsweise in Wäschekammern, Rollcontainern oder Aktenschränken ein gemütliches Lager aus Papierresten und Haaren bauen. Einzeln oder in Gruppen werden sich die Schläfer in ihren Bau zurückziehen und die geschmeidigen Körper platzsparend einrollen. Bitte sorgt auch in eurem eigenen Interesse dafür, dass der eigentliche Schlaf ungestört verlaufen kann. Unruhige Schläfer verlassen hin und wieder den Schrank, dürfen dabei aber nicht angesprochen werden.

Der erwachende Winterschläfer wird in den ersten Wochen und Monaten nach dem Aufstehen noch verwirrter wirken als gewöhnlich. In den Zeiten des Schlafes hat er nicht nur Fett und Muskelmasse sondern auch Verbindungen zwischen Nervenzellen im Gehirn verloren. Kollegen mit Weitblick basteln für alle gut lesbare Namensschileder und versehen Gebrauchsgegenstände mit liebevoll gestalteten Aufklebern. Es empfiehlt sich in regelmäßigen Abständen einen Gang zur Toilette anzuregen. Wird dies und noch einiges mehr in den Amtsstuben und Büros der Republik beherzigt, steht einer weiterhin fröhlichen dunklen Jahreszeit nichts mehr im Wege. Und jetzt, ihr Haselmäuschen, ab in den Schrank!

“ … müde, müde sind die Glieder, kommet ihr im Frühling wieder!“