Licht aus, Film ab!
Der Kinosaal ist wie die Toilette und eine Umkleidekabine ein Ort, der sehr gut alleine aufgesucht werden kann. Die Zeit vor und nach der Projektion vertreibt man sich beispielsweise lesend und durch einen raschen Antritt des Heimweges. Noch schöner ist das Filmvergnügen am frühen Nachmittag, gemeinsam mit wenigen Gleichgesinnten, die sich großzügig über die Reihen verteilen, die nicht essen, nicht sprechen und sich auch sonst weitestgehend unauffällig verhalten. Der eigenen instabilen Psyche öffnen sich so weite Räume.
Die Zahl derer, neben denen man in Tränen aufgelöst eine geistig arme Schnulze oder vor Angst zuckend einen mäßig spannenden Horror-Film sehen möchte, ist sehr klein. Der befreundeten Verwandtschaft kann man hin und wieder diesen Gefallen tun und so ein bisschen Freude in den Alltag bringen. Wenn man sein Gesicht vor einer frischen Bekanntschaft auf keinen Fall verlieren möchte, besucht man am Vorabend des gemeinsamen Filmvergnügens ein Probe-Screening. Dabei ist beispielsweise auch darauf zu achten, ob man in der Gruppe oder nur alleine lacht, wenn einem armen Nebendarsteller ein Messer durch den Schädel getrieben wird. Ebenso offen und ehrlich muss die Frage beantwortet werden, wie viel Emotion und wenn ja welche man neben sich ertragen kann. Alternativ geht man zeitgleich in unterschiedliche Filme und trifft sich im Anschluss daran wieder – womit die eingangs beschriebene Klippe des Zeitvertreibs vor Filmbeginn geschickt umschifft wäre und hinterher hat man sich dann richtig viel zu erzählen.
Natürlich könnte man annehmen, dass ein schlechter Film durch nette Begleitung aufgewertet werden könne. Aber gerade eine völlig idiotische Geschichte, vorgetragen von Laiendarstellern, eingefangen von einer ebensolchen Kamera, fordert den eremitischen Beobachter. Nur so wird aus entsetzter Langeweile über Stunden (und nur ab einer Mindestdauer von 180 Minuten macht die Übung Sinn) abgrundtiefer Weltenekel und Hass. Nie vergeht Lebenszeit langsamer und sinnloser, als wenn man einer Kartoffel beim Austreiben in Körperöffnungen zusieht. Mit jeder Wurzel altert der Zuseher um Jahrzehnte. Menschen sollen ohne Haare und ohne Zähne aus Lichtspielhäusern gewankt sein. Was, wenn die Begleitung ein Stillleben von expressionistischer Ausdruckskraft sah und man selbst nur verrottetes Gemüse?
Da man sich selbst immer wieder unnötig unter Druck setzt auch einmal Frohsinn und Heiterkeit zu verbreiten, wurden zum Thema Follower, Freunde und Menschen befragt. Gute Gründe für gemeinsame Ausflüge ins Kino mit Anderen fanden sich zwei: Beginnt man im Kinosaal zu frieren, kann die Begleitung Wärme und oder Kleidung spenden, des Weiteren ist ein Nebenmann als Lebensmittel- und Getränkehalter nützlich.
Sind Rührseligkeit, Schreckhaftigkeit und Abartigkeit des Humors bei Filmfreunden gleich verteilt, steht einem vergnüglichen gemeinsamen Kinoabend nichts mehr im Wege. Ich wünsche eine gute Projektion.
- Ein Zug im Kornfeld
- Fast jeden Tag eine (kleine) gute Tat