Berlinale 2015 – Auf einen Schafskopf mit Nicole Kidman

Der iranische Filmemacher Jafar Panahi ist seit Jahren Dauergast bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin, ohne dass er leibhaftig daran teilnehmen kann. Panahi darf sein Heimatland nicht verlassen und aufgrund eines zwanzigjährigen Berufsverbots keine Filme drehen. In Abwesenheit hatte Panahi seinen Platz in der Wettbewerbsjury bei den 61. Internationalen Filmfestspielen von Berlin behalten. Auf der Berlinale 2013 wurde sein Film Pardé im Wettbewerb gezeigt. Die Jury würdigte das schwache Werk mit dem Silbernen Bären für das beste Drehbuch. Berlinale-Chef Dieter Kosslick hat seine ständige Einladung an Panahi erneuert. Er werde so lange eingeladen, bis er kommen könne.  2015 hat es erneut nur ein Film des Regisseurs, Drehbuchautoren, Produzenten und Hauptdarstellers Panahi in den Wettbewerb geschafft.

Panahi nimmt uns in „Taxi“ mit auf eine 82-minütige Fahrt durch Teheran. Eine Lehrerin und ein Fahrgast streiten über Sinn und Unsinn von Todesurteilen. Ein kleiner Gauner, der mit Filmraubkopien handelt, möchte den Filmemacher zum Partner machen. Ein Unfallopfer muss in Begleitung seiner hysterisch verzweifelten Gattin in die Notaufnahme gebracht werden. Zwei ältere Damen in großer Eile wollen zwei Goldfische bis 12 Uhr mittags in einer Quelle ausgesetzt haben. Sonst sterben sie – die Frauen und die Fische.

Dann steigt die altkluge Nichte Panahis zu. Mit schriller Stimme erklärt sie dem Onkel die Welt und das Filmemachen. Das Kind hat eine eigene kleine Kamera dabei, um einen Kurzfilm für die Schule zu drehen. Die Vorgaben der Lehrerin sind streng. Werden die Regeln nicht befolgt, ist der Film nicht vorzeigbar. Ein kleingeistiges beengtes Weltbild darf gefilmt werden, das Leben, mit all den kleinen und großen Fallstricken soll im Verborgenen bleiben. Die Menschen sind nicht vorzeigbar, weil sie den Regeln nicht Folge leisten. Panahi trifft einen ehemaligen Nachbarn, der überfallen und verprügelt worden ist. Eine Anwältin, auf dem Weg zu einer inhaftierten Klientin im Hungerstreik. Jafar Panahi spricht über die Stimmen im Kopf, die nach den Verhören mit Augenbinde nie verschwunden sind.

Am Ende verlässt Panahi gemeinsam mit dem Kind das Auto. Zwei Männer nähern sich dem Fahrzeug und durchsuchen es. Die Speicherkarte in der Kamera finden sie nicht. Der Film findet seinen Weg auf die Leinwand. Jafar Panahi bleibt durch eine leise Alltagsstudie widerständig und mutig. Durch seine Kunst kann und muss er sich ausdrücken. Die Jury wird sich diesem Wettbewerbsbeitrag nur schwer entziehen können.

Durch die Wüste mit Nicole Kidman

In „Queen oft the Desert“ erzählt Filmemacher Werner Herzog die Geschichte von Gertrude Bell (Nicole Kidman), die Anfang des 20. Jahrhunderts den Nahen Osten bereist und erforscht hat. Ihre Kenntnisse und ihr Einfluss waren entscheidend für die Neuordnung der Region nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches.

Ihr zur Seite steht der dritte Sekretär des britischen Botschafters in Teheran, Schmalspurdiplomat und Spieler Henry Cadogan (James Franco). Bewandert in persischer Liebeslyrik bringt Frauenflüsterer Franco das Herz der spröden Schönen zum Schmelzen. Kidman schnauft verzückt. Alsbald kommt es zum Kuss der beiden in Liebe Erflammten. Das absolute Desinteresse zwischen Kidman und Franco wird von klebrigen Streichern hinweggefiedelt.

Getrude und Henry sind sich fortan in innigster Gleichgültigkeit zugetan. Das Pianoforte klimpert lieblich dazu. Für Liebende verfliegt die Zeit wie im Flug, für das Kinopublikum leider nicht. Von Ferne meinen wir bereits sanft das Läuten der Hochzeitglocken zu vernehmen, doch ach, der Vater der stolzen Braut ist gegen die ganz und gar nicht standesgemäße Verbindung. In London erfährt das stolze Fräulein vom Freitod des Geliebten. Äsendes Reh vor Parklandschaft im Nebel, ein Schwan zieht einsam seine Kreise – Liebeslyrik aus dem Off, Klaviersonate in Moll.

Nur die Einsamkeit der Wüste (großartige Bilder von Kameramann Peter Zeitlinger) kann dem gebrochenen Herzen von Gertrude jetzt noch Trost spenden. Die rastlos Reisende trifft in der Ausgrabungsstätte Petra auf T. E. Lawrence (Robert Pattinson erhält bei jedem seiner seltenen Auftritte Szenengelächter). Bei Schnaps und Lagerfeuer wird rasch die weltpolitische Lage erläutert. Doch die Karawane muss immer weiter. Die Kamele brüllen dazu.

Die Königin der Wüste bricht die Herzen der stolzesten Männer, doch der eine, dem sie ihr Herz schenken würde, Charles D.-Wyllie (Damian „Homeland“ Lewis) ist verheiratet (unglücklich), zieht aus Angst vor dem Selbstmord der Gattin im Falle einer Scheidung in den Krieg und opfert sich selbst auf dem Schlachtfeld. Gertrude wird sich Keinem mehr schenken, die Welt der Diplomatie wird fortan ihre anspruchsvolle Geliebte. So rühmlich das Anliegen ist, einer großen, von der Geschichte vergessenen Frauen ein cineastisches Denkmal zu setzen, so misslungen ist das Ergebnis. Kidman, Franco, Lewis, Pattinson, eine lächerliche Fehlbesetzung folgt der nächsten und sorgt immer wieder für ausgelassene Heiterkeit beim Kinopublikum.

Schaut alle Dokumentationen von Werner Herzog, aber nicht diesen Film! Alle die Herzschmerz unter sengender Wüstensonne suchen, gucken „Der englische Patient“.

Eine Woche in der Ehe von Kate und Geoff

Ein kleines Meisterwerk erwartet uns am Ende des Wettbewerbstages. Filmemacher Andrew Haigh legt „45 Years“ ganz in die Hände seiner beiden großartigen Hauptdarsteller Charlotte Rampling und Tom Courtenay. Eine Woche vor ihrem 45. Hochzeitstag wird Geoff Mercer (Tom Courtenay) von der Vergangenheit eingeholt. Die Leiche seiner Freundin Katya wurde in den Schweizer Alpen gefunden. Innerhalb einer Woche schleicht sich die tote Frau immer weiter in die Ehe von Geoff und Kate (Charlotte Rampling) ein, vergiftet die Atmosphäre in diesem ehrenwerten Haus. Die spröde Kate kämpft mit der Eifersucht und bereitet doch stoisch weiter die große Party vor. War sie nur zweite Wahl? Wo sind all die Jahre geblieben? Welche Erinnerungen bleiben?

Tom Courtenay spielt mit all seinem britischen Charme einen unsicheren und zeitweise gebrechlich wirkenden Ehemann, der zu straucheln scheint und doch wieder in die Spur findet. Rampling brilliert als spröde Gattin, die den Stachel des Zweifels am Ende nicht ganz ablegen kann. Mag sich der Gatte auch noch so mühen. Wir wünschen den beiden noch viele gute gemeinsame Jahre.

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Ein von Julie (@fraujulie) gepostetes Foto am

 

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