Alleinunterhalter

Der Mensch ist von Natur kein Spaßvogel. Sicher steht es jedem frei, sich im schallisolierten Hobby-Keller als Alleinunterhalter zu versuchen, doch: Viele fühlen sich berufen, wenige sind auserwählt. Wer dennoch den Schritt in die Öffentlichkeit wagt und unschuldige Dritte behelligt darf sich nicht wundern, wenn es einsam um ihn wird. Alleinunterhalter … wer da die Nachtigall nicht trapsen hört.

Einer dieser verhinderten Stand-up Comedians arbeitet irgendwo in Deutschland in einer Buchhandlung. Aus Gründen bin ich öfter da und an der Kasse lauert er. Einfach nur bezahlen – nie war es schwerer. Die bloße Existenz eines Gegenübers macht aus einem adretten jungen Mann einen sprudelnden Quell heiterer Schwänke über Jugend, Kindheit, Dienstpläne und Kollegen. Bargeldlos bezahlen? Kein Problem. Schon das Einführen der Karte in ein Lesegerät bietet vielfältige Möglichkeiten des grenzenlosen Frohsinns. Die Verweigerung einer Reaktion wird nicht akzeptiert. Irgendwann wird er zur Polonaise durch die aktuellen Neuerscheinungen auffordern und wer dann nicht mitmacht – viel Glück! Die Angst in den Gesichtern der verstörten Kunden ist sein Lohn. Obacht Freunde, Obacht.

Hinter der Fassade des Schalks brodelt ein Vulkan aggressiver Gehemmtheit. Ungeliebt und ungelobt und das will ganz doll raus aus ihm. Der eine wird Marathonläufer, der andere lustig. Selbstverständlich weiß unser Einzelhändler, dass es keinen Grund gibt fröhlich zu sein. Die Zeiten sind nicht danach. Auch und gerade nicht für ihn. Seine Mimik spricht Bände. Mit dem kalten Blick eines vom Hass zerfressenen widmet er sich seiner Klientel. „Geh weg, ich bin ein Alleinunterhalter“ möchte er uns gerne entgegen brüllen, was aber würden die Vorgesetzten dazu sagen? Der Mann versteht sein Handwerk! Das 85-bändige Meisterwerk neuer Deutscher Lyrik liegt wie Blei in den Regalen? Alleinunterhalter, pack die Hammondorgel und die Disko-Kugel aus und spiel ein Lied für uns. Angst war schon immer ein guter Kaufberater.

Jeder Versuch ihm zu entkommen: sinnlos. Heute ist er Buchhändler, morgen Zugchef, Metzger oder Zahnarzt. Oder, wer kennt sie nicht: lustige Gynäkologen, aber das ist eine andere Geschichte. Die einen kompensieren, die anderen müssen leiden. Der viel besungene Thementag „Schnaps“ könnte auch hier die Lösung sein. Allerdings ist der Grad zwischen sich etwas schön trinken und Komasaufen schmal. Darauf einen Pfefferminzlikör.