O Weib, du Veilchengarten* – Besuch in der Hölle

Dass von Amors Pfeil Getroffene singend, Rosenblätter werfend, Duftkerzen umflort versuchen ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen, ist eine ebenso unrühmliche wie nicht zu leugnende Tatsache eines fehlgeleiteten Verständnisses von Romantik.

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich dereinst in die Hölle komme, die Pforte würde mir von einem kaipflaumesken Liebesboten geöffnet. Der Fluchtweg wäre von einem gut gelaunten Kamera-Team versperrt, und der liebestolle Torwächter würde zur Begrüßung mit Plüschherzen um sich werfen. Kaum drin, würde mir von singenden Untoten eröffnet, dass eine ganz dicke Überraschung für mich vorbereitet sei.  Zu diesem Zeitpunkt wäre ich, zur Freude eines wahnsinnigen Produktionsassistenten, bereits in Tränen aufgelöst und eine Maskenbildnerin mit schwarzen Stummelflügeln auf dem Rücken bemüht, mir in regelmäßigen Abständen die Rotznase abzuwischen.

Auftritt eines mir nicht näher bekannten hüftsteifen Mitmenschen auf einer geflutlichteten Musicalbühne: Mit einer Schwäche für Halbtöne brächte er ein Ständchen dar, das sich im wesentlichen auf meinen Namen, meine Augenfarbe und mein wallendes güldenes Haar reimen und auf „Mein lieber Schatz, ich liebe Dich sehr, bitte sei mein Knuddelbär“ enden würde. Ergriffenes Schluchzen im Zuschauerraum, der faltenfreundlich unter einem Sternschnuppenregen glitzert. Es folgt der obligatorische gesungene Heiratsantrag. Zu diesem Zeitpunkt  tosender Applaus und Sprechchöre aus dem Zuschauerraum: „Heiraten, heiraten, heiraten …“. Da wir uns in der Hölle befinden und der Hausherr nun auch in Erscheinung tritt, sind die Entscheidungsspielräume eingegrenzt (der Türsteher haucht mit seinem heißen Atem “Fühl dich nicht unter Druck gesetzt“ in meinen Nacken). Die Wartezeit wird mit einem Werbeblock für Brandsalbe und Kohlenschaufeln überbrückt.

Es kommt, was kommen muss: Linda de Mol segnet das Paar und alle bewerfen sich und andere mit Reis und geruchsneutralen Lebensmitteln.

In diesem Sinne: „Abends, still und leise, ging ein Küsschen auf die Reise. Flog ganz heimlich hin zu dir und weißt du was, es war von mir.“

* Meister Heinrich Frauenlob (1270 – 1317)