Im Fegefeuer

Die Hölle ist ein Ort, an dem Menschen in überfüllten, nicht klimatisierten öffentlichen Verkehrsmitteln immer im Kreis fahren. Bei Zwischenhalten auf freier Strecke (wegen Herbstlaub auf den Schienen, spielenden Kindern im Gleisbett oder Weichenstörungen) können die Türen nicht geöffnet werden. Im Bord-Bistro ist immer Happy Hour. Mitarbeiter ziehen zur Ticketkontrolle die Turnschuhe aus. Es gibt Fisch-Bergkäse-Zwiebel-Ei-Brötchen für alle.

Wer schon einmal Zug gefahren ist weiß, dass der Mensch in größeren Gruppen zwanghaft dazu neigt, unbeteiligte Dritte unmittelbar an seinen intimsten Körperregungen teilhaben zu lassen. Fußgeruch und Flatulenz werden zum Individualisierungsmerkmal innerhalb der anonymen Masse. Nonverbale Kommunikation kann so einfach sein. Mensch, verströme dich!

Wir sind für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht geeignet. Wer es dennoch tut, sehnt sich nach einer einsamen, abgedunkelten Klause. Hier kämen keine Züge in umgekehrter Wagenreihung. Gleiswechsel und das Freihalten des Türbereichs wären nicht vorgesehen. Man würde freiwillig Tag ein Tag aus Saufbilder unbekannter Menschen gucken. Im Internet gibt der Einzelne zu viel von sich preis? Die Realität sieht noch viel schlimmer aus.

Kinder schreien, Väter weinen, Mütter wollen mit all dem nichts mehr zu tun haben. Hamster, kleine Schweine und eine mittlere Wohnungseinrichtung müssen Reisende egal wohin begleiten. Mehr Einzelabteile wären eine Lösung, aber wo nicht einmal Klimaanlagen funktionieren, wollen wir von Lebensqualität nicht sprechen. Eine Maßnahme zur Befriedung wäre ein allgemeines Nutzungsverbot von Rollkoffern jeglicher Art und Größe. In engen Räumen mit maximal aggressiver Atmosphäre wird der Trolley schnell zur tödlichen Waffe. In einer nicht ganz fernen Zukunft werden Füße ohne Aufpreis direkt am Bahnsteig amputiert.

Kleiner Tourismus-Tipp am Rande: Wer sich hin und wieder beschimpfen lassen möchte, dem sei die Expressbuslinie zwischen Flughafen Tegel und Berlin Alexanderplatz ans Herz gelegt. Einfach im Türbereich stehen bleiben und abwarten, was passiert. Für alle anderen gilt: Es ist doch gut, dass der Mensch allein sei!