Advent, Advent, kein Meerschwein brennt

Alles hatte damit angefangen, dass eins der Meerschweinchen mit Essig übergossen worden war. Der Versuch, es im Anschluss daran anzuzünden, scheiterte. Das Tier sollte den Schock nicht verwinden und verschied noch vor dem Absingen des ersten Weihnachtsliedes. Eine Erdbestattung war aufgrund des anhaltenden Bodenfrostes nicht möglich. Wir versammelten uns für eine Gedenkminute am offenen Kamin. Hell auf leuchtete die Flamme. Das Tier verbrannte schnell und, zur Überraschung der Trauergemeinde, geruchsarm. Das glimmende Fell zauberte für einen Moment einen faltenfreundlich besinnlichen Lichteffekt auf unsere Gesichter. Für die Kinder lagerten wir eine Schaufel Asche bis zum kommenden Frühjahr in einem Gefrierbeutel ein.

Natürlich wollte es keiner gewesen sein. Dass Friedemann von unserem Balkon zum Dachfirst der Nachbarn ein Seil spannte und nach dem traditionellen Glühweintrinken versuchte einen Hochseilakt vorzuführen, wurde aber allgemein als Schuldeingeständnis gewertet. Die Umsetzung scheiterte bereits beim Versuch das Bein mit Schwung über das Balkongeländer zu befördern. Am Ende blieb es bei der gelallten Drohung: „Ich tanze jetzt für euch, ihr Schweinemörder!“ Die Notfallmediziner der Familie hatten sich schon auf einen mitternächtlichen Einsatz gefreut.

Am Morgen des Heiligenabends fanden wir einen Abschiedsbrief von ihm auf dem Küchentisch. Er sei abgereist. Unsere hochgradig degenerierte Mischpoke sei ein  Konglomerat aus Sondermüll, das nicht einmal gefahrlos im nahegelegen Salzstock eingelagert werden könne. Er wünsche uns noch ein schönes Leben mit unseren hässlichen Haustieren. Die ihm im übrigen leid täten, da jegliche Kreatur in unserem Hause binnen Sekunden genau so widerlich wäre wie wir. Unser kindischer Versuch, ihn mit Glühwein zu vergiften, sei nur Dank seiner legendären Körperbeherrschung gescheitert, die ihn im Übrigen auch dazu befähige, alle Achttausender ohne Sauerstoffgerät zu besteigen, wenn er denn an so etwas wie Alpinismus interessiert wäre. Aber das sei eine andere Geschichte und wir ihrer nicht würdig. Dennoch wünsche er uns ein frohes Fest. Der liebe Gott hätte ja auch mit den Tieren im Stall Weihnachten gefeiert.

Die rohen Fischabfälle vom zweiten Weihnachtsfeiertag, die ihm per Post zugingen, waren nicht als Rache, sondern nur als kleiner Gruß aus der Küche gemeint.

für Nicole

Anmerkung: Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sind rein zufällig. Teile der befreundeten Verwandtschaft werden weder an Weihnachten noch an anderen hohen Feiertagen mit Essig übergossen.

Und weiter geht’s: Alle Jahre wieder werden wir am Ende eines Jahres von Weihnachten überrascht. Um die Vorfreude auf Kind, Krippe und Geschenke ins schier Unermessliche zu steigern, werden hier Träume wahr. Ihr spendiert fünf Begriffe in einem Kommentar unterhalb dieses Beitrags, und ich bastele daraus einen rauschgoldengelhaften Blog-Text inkl. Widmung zur Vorweihnachtszeit. Die streng subjektive Auswahl der jeweiligen Begriffs-Serie wird von mir persönlich vorgenommen. Der Rechtsweg ist absolut ausgeschlossen.